Ich bin so sportlich, sooo sportlich! Und stolz auf mich, verdammt stolz :)
Kelly und ich haben erfolgreich die groesste sportliche Herausforderung meines bisherigen Lebens beendet. Eine siebentaegige Fahrradtour rund um das East Cape - 330 km (wir haben aufgrund von Orientierungsmangel ab und zu wohl eher um die 350 km hinter uns gebracht) von Opotiki nach Gisborne voller wunderschoener Buchten, gruener Huegel, regenwaldigem Busch und trillierenden Sommertagen.
Das East Cape ist wohl vor allem mit einem Wort zu beschreiben: Verdammt abgelegen.
Und voller Maorikultur, da nirgendwo in Neuseeland mehr Maoris leben als am Cape. Das hat mich zu neuer Spiritualitaet gebracht und mir meinen seit Rotorua gehegten Wunsch erfuellt, Maorikultur ohne Touristenzirkus zu erleben - wow!
Wir sind dem Highway 35 gefolgt... Highway mag vielleicht nach grosser Strasse und vielen Autos klingen - doch so war es nicht. Zumeist haben wir ausser Voegeln und Grillen nichts gehoert, 95% der Bruecken waren einspurig (kein Scherz! Das ist so ein Kiwiding... Wenn einem ein Auto entgegenkommt, muss man eben rueckwaerts wieder runter) - nur die letzten beiden Tage hatten wir mit riesigen Lastwagen zu kaempfen, die voll beladen mit Baumstaemmen im 15 Minuten-Takt an uns vorbeidonnerten.
Doch von Anfang an...
Tag eins: Opotiki - Te Kaha
66 km
Der erste Tag war ziemlich untypisch fuer den Rest unserer Tour, da total verregnet. Die Berge des Cape begruessten uns melancholisch wolkenverhangen, das Meer traenenfarben und stuermisch. Das Regenwetter hat uns fatalerweise dazu verleitet, in massivem Umfang dicke Klamotten einzupacken, die wir danach nie wieder angezogen haben.
Total verschwitzt erreichten wir unsere erste Unterkunft in Te Kaha, wo zum ersten Mal an diesem Tag die Sonne schien und wir die Gelegenheit hatten, etwa fuenf Meter vom Meer entfernt in einem Whirlpool zu entspannen. Wow!
Der Tag endete mit einem Blutstropfen von Sonne, der im immer noch graublau-traurigen Meer versank, aber Lust auf mehr besseres Wetter machte.
Tag zwei: Te Kaha - Maraehako Bay
24 km
Als wir unseren Trip vorbereitet haben, erschien es uns eine gute Idee, den zweiten Tag etwas kuerzer zu gestalten, um dem Muskelkater, der uns unvermeidlich erschien, Zeit zur Besserung zu geben. Jetzt weiss ich: Das war unnoetig, so untrainiert waren wir nicht. Doch die kurze Zeit auf dem Fahrrad gab uns umso laenger Zeit, unsere paradiesische Unterkunft zu geniesen.
Eine fixe Fahrt durch flirrende Sommerhitze fuehrte uns linkerhand an mittlerweile tiefblauem Meer und rechterhand niedlich kontrastierendem Regenwald vorbei. Ueberhaupt: Die Landschaft, an der wir an diesem zweiten Tag vorbeigeradelt sind, hat uns mehr an Griechenland erinnert als an Neuseeland, die Sonne brannte dementsprechend.
Unser Hostel an diesem Tag war der helle Wahnsinn. Eine kleine Bucht nur fuer uns, die wir mit Kayaks erkundet haben, Haengenmatten und jede Menge Suedsee-Urlaubsgefuehl. Der Maori Pihi, seines Zeichens Besitzer des Hostels, hat mir den ersten hongi, d. h. den Nasenkuss, mit dem sich Maoris begruessen, meines Lebens gegeben und am Abend versammelten sich alle Gaeste am Kaminfeuer zu Gitarrenmusik. Unerwartetes chill out-feeling in idyllischer Umgebung, was will man mehr?
Tag drei: Maraehako Bay - Hick's Bay
64 km
Weiterhin ging es durch mediterrane Landschaft, wir fuhren gleichsam durch Postkartenmotive. Nach etwa zwei Stunden Fahrt entfernte sich die Strasse das erste Mal etwas weiter vom Meer und die ganze Angelegenheit wurde etwas huegeliger, zudem verlor der Busch einige seiner Regenwaldattribute. Ausserdem kamen wir an einigem Farmland vorbei: Kuehe, Schafe und ueberraschend viele Pferde neben ueberraschend baufaelligen Huetten.
Unsere Unterkunft war das Privathaus einer Maori-Paerchens, das Zimmer vermietet. Anfangs waren wir etwas abgeschreckt vom Plumsklo und den Insekten, die uns unter der Dusche Gesellschaft leisteten, doch ich war schnell versoehnt: Ein Gespraech mit Joe, unserem Gastgeber, das eigentlich kurz und belanglos geplant war, endete damit, dass er mir jede Menge ueber sich, seine Kultur, seinen Stamm und Maori im Allgemeinen erzaehlt und erklaert hat. Ich habe ein paar hongi von ihm bekommen und er hat mir eine gute Aura und positive Spiritualitaet bescheinigt.
Das war wirklich eine schoene und bezaubernde Erfahrung, ganz wie ich mir das gewuenscht habe. Schade, dass Kelly nicht mit dabei war - aber auf diese Art war er sehr privat und persoenlich... Das war mein erster wirklich tiefer Einblick in diese fremde und verwirrende Kultur, die hier in Neuseeland so allgegenwaertig ist und doch selbst von vielen Kiwis nicht vollstaendig verstanden wird.
Tag 4: Hick's Bay - Tikitiki
44 km
Der Tag begann fuer uns um fuenf Uhr frueh, um den Sonnenaufgang anzuschauen (macht irgendwie Sinn, wenn man sich quasi am oestlichsten Punkt der Welt befindet - first to see the sun...). Doch enttaeuschend: Statt wie erwartet aus dem Meer tauchte die Sonne hinter ein paar Huegeln auf. What?! Schade fuer uns.
Unsere Strecke an diesem Tag war extrem huegelig und anspruchsvoll, weswegen uns auch 44 Kilometer extrem gefordert haben. Unterkunft fanden wir im Eastender Backpackers, welches sich damit bruestet, "echten Einblick" in Maori-Kultur und Denkweise zu geben, in Wirklichkeit aber mehr an Disney World erinnerte - schade. Haufenweise Kiwi Experience-Reisende (ein grosser gruener Bus, in dem sich fickfreudige Lowbrainer Tag um Tag betrinken und darueber vergessen, in welchem Land sie sich eigentlich befinden und warum) haben uns mit ihrer Belanglosigkeit genervt und wir waren froh, am naechsten Morgen weiterfahren zu koennen.
Tag fuenf: Tikitiki - Tokomaru Bay
65 km
Die Landschaft, durch die wir geradelt sind, hat sich seit Hick's Bay etwas veraendert, ist schroffer, huegeliger und allgemein weniger sanft geworden - gleichwohl wunderschoen. Es ging etwas mehr hoch und runter, dafuer haben das Meer weniger gesehen (aber kaum vermisst, angesichts der uns stattdessen umgebenden Landschaft).
Unsere Unterkunft war ein echter Kontrast zum Tag davor: Klein, suess und voller Charakter.
Ein echter Schocker an diesem Tag war, dass Kelly und ich uns fuer etwa 15 Kilometer verloren haben und eine Erloesung, als wir schliesslich wieder zueinander fanden... Hinsichtlich des Vermeidens von Peinlichkeit fuer mich (da unsere Trennung meiner Trotteligkeit zugrunde lag) kann ich diese Geschichte leider nicht detailliert wiedergeben :)
Tag sechs: Tokomaru Bay - Tolaga Bay
36 km
Dieser sechste Tag war ein kurzer und gemuetlicher (und manchmal kam uns ein Haus entgegen, hihi). Endpunkt war Tolaga Bay, eine ziemlich schroffe Bucht, in der das Ungetuem einer baufaellig-nutzlosen 600 Meter langen Werft von dramatischen Klippen ueberragt wird. Die Atmosphaere war dementsprechend bei Nacht etwas bedrohlich, am Tage jedoch ebenso: Kelly und ich haben einen Spaziergang entlang der Werft gemacht (soweit es eben ging, ihre Baufaelligkeit verbot das vollstaendige Beschreiten) und unter uns im Wasser monstroese roetliche Quallen entdeckt. Da macht das Schwimmen Spass! Wir haben uns dessen ungeachtet nicht davon abhalten lassen, uns zwecks einer Erfrischung in unmittelbarer Strandnaehe den Wellen auszusetzen (im Nachhinein gesehen war das wahrscheinlich fahrlaessig, da die Quallen wirklich gefaehrlich aussahen, aber unsere Gehirne waren weichgekocht von der Sonne, die ohne Unterlass auf unsere Koepfe herunterbrannte).
Tag sieben: Tolaga Bay - Gisborne
55 km
Der letzte Tag war wie die meisten uebrigen knallheiss und hat mir einen ernsthaften Sonnenbrand beschert. Zum anfangs erwaehnten Problem der logging trucks, die in schoener Regelmaessigkeit an uns vorbeigedonnert sind, kam eine unvorhergesehene Wasserknappheit... Bisher hatte uns unser Weg immer an vielen schoen gefaerbten Fluessen vorbeigefuehrt (oder ueber einspurige Bruecken, hihi), in denen wir unsere Wasserflaschen auffuellen konnten, doch das war an diesem Tag leider nicht der Fall. Auch an einem Laden oder Cafe kommt man in Neuseeland in ueber 30 km manchmal nicht vorbei... Ziemlich, ziemlich durstig und kurz vor dem Zusammenklappen waren wir demnach, als wir schliesslich wieder die Zivilisation erreichten.
Yeah! Endlich wieder Wasser, ordentliche Supermaerkte und viele, viele Menschen... Unser siebentaegiger Biketrip hat ein gutes Ende genommen.
Wie bereits erwaehnt, ich bin verdammt stolz, diese sportliche Herausforderung erfolgreich abgeschlossen zu haben und auch froh, dass ich so viel schoenes gesehen und erlebt habe.
Kellys und meine Befindlichkeit jetzt, zwei, drei Tage nach dem Ende der Tour, ist gut. Wir muessen ein bisschen arbeiten, da vor allem Kelly so langsam in Liquiditaetsengpaesse kommt.
Ich habe die leise Hoffnung, vielleicht Kirschen pfluecken zu koennen, was mir eine Menge Spass machen wuerde, da Kirschen ganz doll lecker sind! Kirschen an Weihnachten, juchu!
Ach ja, ueberhaupt: In Weihnachtsstimmung bin ich ueberhaupt nicht. Wie auch? Jingle Bells bei Sonnenschein kommt laecherlich.
Ich muss mich foermlich zu dem Gedanken zwingen, ein Minimum an Weihnachtspost zu verschicken... Das ist wohl mein Ziel fuer die naechsten paar Tage.
Alles Liebe wuenscht die reiselustige (leider durchs Fahrradfahren nicht verschlankte)
Lilly
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Ich hab schon mal einen Comment gepostet. Mir kommt es so vor, als ob die regelmäßig wieder gelöscht werden!?
AntwortenLöschenGruß aus Erlagen
Michael
aehhm... nicht dass ich wuesste :( ich versuche, dem auf den grund zu gehen. viele liebe gruesse nach erlangen!!
AntwortenLöschen